Im kommenden Jahr werden nicht nur in Deutschland Bundespräsident und der Bundestag gewählt, sondern auch in Frankreich werden Präsident, Nationalversammlung und Senat neu gewählt. Auf Grund der unterschiedlichen Längen der Wahlperioden von Deutschland und Frankreich kommt dies nur alle zwanzig Jahre vor. Derweil die Parteienlandschaft in Deutschland im vergangenen Jahr in Bewegung geraten ist, gerät sie in Frankreich in stürmische See.
Sechs Monate vor dem ersten Wahlgang in Frankreich (23. April 2017) läuft die Personalfrage für die Spitzenkandidaturen auf die Entscheidung zu. Nach der neuesten Umfrage kommt Hollande nur noch auf 14% Zustimmung, drei Viertel der Linken und zwei Drittel seiner Wähler von 2012 lehnen eine erneute Kandidatur ab. Vergangene Woche haben die Le Monde-Journalisten Gérard Davet und Fabrice Lhomme ein Buch veröffentlicht: »Un président ne devrait pas dire ça« und darin ca. 60 Gespräche mit Hollande ausgewertet. Sein Vorwurf an die Justiz, feige zu sein, hat große Aufregung verursacht.
Auch die Äußerung, dass Putin ihm gesagt habe, Tsipras war bereit, aus dem Euro auszutreten und in Russland neue Drachmen drucken zu lassen, hat für Aufregung gesorgt. Mit dem Buch hat Hollande das Vertrauen zur Parteilinken, aber auch persönliche Freundschaften zerstört. Die politische Kurzsichtigkeit des Präsidenten wurde moniert, der mit der Publikation an einer Selbstdemontage arbeite. Manuel Valls und Ségolène Royal laufen sich für den Fall warm, das Hollande erst gar nicht zur Vorwahl antritt. Damit wird die Liste der KandidatInnen zur Vorwahl noch einmal verlängert und ein Dokument der grundtiefen politischen Zerstrittenheit der Sozialdemokratie in Frankreich.
Für die radikale Linke wird Jean-Luc Mélenchon erneut in die Kandidatur gehen. Unter den sich politisch als Links einstufenden WählerInnen erhält Mélenchon von ca. einem Drittel der Befragten Zustimmung. Das bringt ihn in die Aussicht, im ersten Wahlgang mit einem besseren Ergebnis abzuschneiden als der amtierende Präsident. Im Februar hat er eine Bewegung mit dem Namen »La France insoumise« gegründet und das Ziel ausgegeben, die linksradikalen WählerInnen maximal zu erreichen und um die zu erweitern, die sich von der Politik ausgeschlossen fühlen. Auf einem Treffen in Lille wurden im Oktober erste Forderungen diskutiert, im Dezember soll ein Arbeitsdokument abgeschlossen und veröffentlicht werden.
Auch die unter Vorsitz von Nikolas Sarkozy zu Republikaner umbenannte konservative Partei führt am 20. und 27. November Primärwahlen durch. Im Oktober hat erstmals eine Fernsehdebatte von sieben KandidatInnen der Republikaner stattgefunden. Dies spiegelt die Zerstrittenheit der Konservativen, die zum Teil auch durch starke persönliche Feindschaft getragen ist. Inhaltlich besteht in der Wirtschaftspolitik keine große Differenz, wohl aber bei den Themen Identität, Laizismus, Terrorismus und in der Haltung zum Islam. Als derzeit aussichtsreichste Kandidaten gelten Alain Juppé und Nikolas Sarkozy. Juppé knüpft in seiner Rhetorik an Donald Trump an, er will Frankreich zu alter Größe zurückführen, Trump will Amerika wieder groß machen. Sehnsucht der Vergangenheit. Sarkozy überholt manchmal sogar Le Pen in ihrer Rhetorik.
Die Vorwahlen der Republikaner sind für Nichtmitglieder offen, die eine Sympathiebekundung mit den republikanischen Werten unterschreiben und zwei Euro Teilnahmegebühr zahlen müssen. In der PS, aber auch der weiteren Linken gibt es viele Stimmen, die dazu aufrufen, sich zu beteiligen, um die Wiederkehr Sarkozys zu verhindern. Hiervor warnt Präsident Hollande.
Wer auf diese Weise die Rechte unterstütze, um einen moderaten, auch für die linken wählbaren Konservativen als Kandidaten der Republikaner durchzusetzen, der führe die politische Linke in Frankreich in die Bedeutungslosigkeit.
Derweil Republikaner und Sozialdemokraten sich mit hohem Einsatz streiten, freut sich der Dritte. Der Front National (FN) wird Marine le Pen in das Rennen schicken. Le Pen stellt sich gegen die EU, gegen den Euro, gegen Zuwanderung und den Islam auf. Der Front liegt seit Monaten in allen Umfragen auf dem ersten Platz und in Frankreich gibt es derzeit kaum Zweifel darüber, dass es so kommen wird, wie die Ergebnisse der Regionalwahlen es vorankündigen. Allerdings wird wiederholend beschwichtigt, dass es wie in der Vergangenheit zu einer bürgerlichen Vermeidungskoalition von Marine le Pen im zweiten Wahlgang der Präsidentschaft kommen würde.
Diese würde im jetzigen Stimmungstrend auf Kosten der (sozialdemokratischen und sozialistischen) Linken in Frankreich gehen. Ihnen werden derzeit nur wenige Chancen zugestanden, einen Kandidaten in den zweiten Wahlgang (7. Mai 2017) zur Präsidentschaft zu bekommen. Gleiches droht für die Wahlen zur Nationalversammlung (Unterhaus), auch die Sitze werden in zwei Wahlgängen vergeben (11. und 18. Juni). Bisher ist es im zweiten Wahlgang gelungen, den FN weitestgehend aus dem Zentralparlament herauszuhalten. Ob es so bleibt, ist eine offene Frage. Am 24. September wird der französische Senat gewählt, das Oberhaus. Die Ergebnisse aller Wahlen werden auf die Bewegungen in der deutschen Parteienlandschaft einwirken.
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