Der neue Artikel von Thomas Nord für den Bundestagsreport der Landesgruppe Brandenburg bietet einen Ausblick auf die bevorstehende Wahl in Italien.

Wahlen in Italien –
Bollwerk gegen Populismus: Silvio Berlusconi


Auf dem Höhepunkt der Euro-Krise schien es nur noch eine Frage, ob zuerst Spanien oder Italien als nächstes Mitgliedsland unter den Euro-Rettungsschirm muss. In Spanien wurde die Bindung von Bankenrettung und Staatshaftung aufgebrochen. Das heißt, Spanien war zu groß, um es wie Griechenland, Portugal oder Irland zu behandeln. Die faulen Banken wurden gerettet, aber Spanien wurde nicht als Staat unter die Aufsicht der Troika aus EZB, IWF, und EU-Kommission gezwungen. In Italien stieg die Staatsverschuldung auf 120%, die Zinsen für die Refinanzierung der Staatskredite stiegen wie zuvor in Griechenland, Portugal, Irland und Zypern.

Die EU legte ein Monitoring-Prozess für die Spar- und Kürzungsbemühungen der italienischen Regierung auf. Silvio Berlusconi selbst wurde zum größten Finanzrisiko für Italien erklärt. Sex-, Korruptions- und Justizskandale hatten seiner politischen Karriere nichts anhaben können. Aber gegen den Finanzdruck kam er nicht an. Er stürzte 2011 und wie schon z.B. in Griechenland wurde mit Mario Monti, dem ehemaligen EU-Kommissar, erst für Binnenmarkt, dann für Wettbewerb, eine technische Regierung eingesetzt. Heute steht die Staatsverschuldung bei 137%.

Berlusconi trat nicht bei den Wahlen 2013 an. In der Wahlperiode kam es nicht zu Neuwahlen, doch haben sich drei Regierungen die Klinke in die Hand gegeben. Per Luigi Bersani war gleich zu Beginn mit einer Regierungsbildung krachend gescheitert und mit ihm Romani Prodi. Von April 2013 bis Februar 2014 war Enrico Letta Ministerpräsident, er wurde parteiintern von Matteo Renzi verdrängt. Renzi war von April 14 bis Dezember 16 Ministerpräsident. Er wollte das unregierbare Italien regierbarer machen. Mit seinem »Italicum« genannten Reformvorschlag hätte die stärkste Partei einen hohen Siegerbonus an Mandaten bekommen. Er verband ein Referendum über seinen Vorschlag mit seinem Regierungsvorsitz und trat nach der Niederlage zurück.

Paolo Gentiloni hat die Nachfolge übernommen. Im Herbst des vergangenen Jahres hat ein Bündnis aus Partito Democratico, Forza Italia und Lega Nord ein neues Grabenwahlrecht verabschiedet (Rosatellum). Zwei Drittel der Parlamentssitze werden jetzt proportional über Parteilisten vergeben, ein Drittel über Mehrheitsprinzip in Wahlkreisen. Die Sitzzuteilungsverfahren sind vollständig getrennt, Direktmandate und Listenmandate werden nicht verrechnet. Es gibt keinen Siegerbonus. Die Wähler*innen haben nur eine Stimme, was von Verfassungsrechtlern kritisiert wird.

Staatspräsident Sergio Mattarella (PD) hat nach der Verabschiedung des Haushaltes 2018 das Dekret zur Auflösung des italienischen Parlaments unterzeichnet. Die Wahlen zum italienischen Parlament werden in vier Wochen am 4. März durchgeführt. Bis zur Vereidigung einer neuen Regierung bleibt der sozialdemokratische Ministerpräsident Gentiloni geschäftsführend im Amt. Dies kann lange dauern, denn Italien steht vor einem Wahlkrimi besonderer Güte. Niemand anders als der 2011 geschasste Silvio Berlusconi will zurück an die Macht, auch wenn er wegen einer Verurteilung selbst nicht kandidieren kann.

Anfang November 17 waren in der autonomen Region Sizilien 4,6 Millionen Wahlberechtigte zur Stimmabgabe aufgerufen. Durch die unmittelbare Küstenlage zu Nordafrika steht Sizilien im Brennpunkt der italienischen Flüchtlingskrise. Die Wahl wurde zum Stimmungstest für die Parlamentswahl im März 2018 stilisiert. Die Beteiligung lag unter 47%.

Berlusconis Bündnis aus Forza Italia, Lega Nord, Fratelli d´Italia hat knapp 40% der Stimmen bekommen. Lega Nord und Fratelli d´Italia werden in Italien als neofaschistische Parteien eingestuft. Der Vorsitzende der Lega, Matteo Salvini, will mit Unterstützung von Berlusconi neuer Ministerpräsident werden. Salvini hat Ende Januar die Leistungen unter Benito Mussolini gelobt, beispielhaft gelten ihm die Einführung des Pensionssystems oder die Trockenlegung von Sümpfen um Rom. Der Spitzenkandidat der Lombardei, Attilio Fontana, sieht durch die Einwanderung aus Nordafrika die Zukunft der weißen Rasse in Gefahr. Abgeordnete der Fratelli d´Italia zeigen im Parlament schon einmal den Hitler-Gruß. Aktuellen Umfragen zu Folge werden dem Bündnis 299 von 613 Mandaten zugetraut.

Die Fünf-Sterne-Bewegung (5SM) des TV-Entertainers Beppe Grillo blieb unter ihrem selbst gesteckten Ziel, ist mit über 35% aber deutlich auf Platz 2 und stärkste Einzelpartei. Grillo wurde in den 1990ern auf Grund seiner Scharfzüngigkeit mit einem faktischen Auftrittsverbot belegt. 2007 startete er den V-Day (Vaffanculo-Day), auf Deutsch den »Leck mich am Arsch-Tag«. Dieser war so erfolgreich, dass er 2009 die Partei Fünf-Sterne-Bewegung gegründet hat. In der Wahl 2013 wurde sie auf Anhieb mit 25,5% zur stärksten Kraft, lehnte jedoch jegliche Regierungsverantwortung ab. In aktuellen Umfragen sind sie mit ca. 28% die stärkste Einzelpartei. Grillo will ein Referendum über den Verbleib Italiens im Euro durchführen und nach der Wahl keine Koalition eingehen.

Der Kandidat eines Mitte-Links-Bündnisses, Fabrizio Micari, bekam in Sizilien knapp 19%, auf die Partito Democratico (PD) von Matteo Renzi entfielen davon in etwa 11%. Die Linkspartei Sinistra Italiana (SI) weigerte sich, eine Allianz mit der PD einzugehen und schickte mit Claudio Fava einen eigenen Kandidaten ins Rennen. Dieser schaffte es auf lediglich 6% der Stimmen. Die Spaltung der Linken zeigt auch in Italien ihre Auswirkungen. Seit der Wahl steht der ehemalige Hoffnungsträger Renzi unter enormen innerparteilichen Druck, er versucht die Wahlergebnisse Siziliens als Lokalereignis herabzustufen. Sie könnten nicht auf Italien im März 2018 übertragen werden. Mit dieser Einschätzung steht er relativ allein.

Im Ausblick auf das mögliche Wahlergebnis im März wird diskutiert, ob der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Klage Berlusconis gegen das Verbot seiner Kandidatur in seinem Sinne entscheidet und er dann selber Ministerpräsident wird. Es wird darüber spekuliert, ob es für Berlusconi zu einer absoluten Mehrheit reicht? Oder ob es zu einer Koalition von Renzi und Berlusconi kommt. Schützenhilfe hat Berlusconi dieser Tage aus der EU bekommen. Parlamentspräsident Antonio Tajani (EVP) und Kommissionschef Jean-Claude Juncker haben ihn empfangen. Nachdem Berlusconi zugesagt hat, dass ein zukünftiger Regierungschef unter seiner Ägide das 3%-Ziel der Maastricht-Kriterien auf 2,5% drücken werde, hat Juncker Berlusconi mit Blick auf die Fünf Sterne als Bollwerk gegen den Sieg des Populismus in Italien gelobt.