Spanien stolpert seit der Krise von 2008 durch unruhige Zeiten. Am 10. November wird wieder gewählt, das vierte Mal innerhalb von vier Jahren.

Spanien wählt wieder

Wahlkampfzeit: Eine Woche

In Spanien holpern Staat, Regierung und Gesellschaft seit der Krise von 2008 durch unruhige Zeiten. Am 10. November 2019 werden die nächsten Wahlen zu den Cortes Generales durchgeführt. Nach dem 20. Dezember 2015, dem 26. Juni 2016 und dem 28. April 2019 sind es die vierten Wahlen innerhalb von vier Jahren. Aber auch die Wahlen vom 20. November 2011 waren bereits vorgezogenen Neuwahlen nach den Wahlen vom 9. März 2008. Im Zeitraum von drei regulären Wahlperioden wurden sechs Wahlen durchgeführt.

Die jetzigen nationalen Wahlen wurden ausgerufen, weil der kommissarische Ministerpräsident Pedro Sanchez von der Partido Socialista Obrero Español (PSOE) nicht die notwendige parlamentarische Mehrheit zu seiner Ernennung hinter sich vereinen konnte. Es ist der PSOE und der 2014 aus der im Mai 2011 entstandenen Protestbewegung 15M (15. Mai) im Jahr 2014 hervorgegangenen Partei Unidas Podemos (UP) nicht gelungen, eine gemeinsam tragfähige politische Verabredung zu treffen.

Ein Grund für das Entstehen von 15M war der bis heute anhaltende Vorwurf der Korruption an die Parteien PSOE und Partido Popular (PP). Ein weiterer Grund war die geplatzte Immobilienblase und ihre sozialen Folgen. Podemos ist teilweise mit internem Streit und Personalfragen selbstbeschäftigt und hat auch dadurch an Attraktivität verloren. Die Frustration in der Linken ist groß, Pedro Sanchez erhoffte sich durch diese Lage einen Zugewinn in den Wahlen, aber momentan stagniert er, manche sehen gar einen Verlust für die PSOE bei dem kommenden Wahlgang.

Der aktuelle Wahlkampf fällt in eine Zeit, in der der Streit um die Exhumierung des Diktators Francos juristisch abgeschlossen und durchgeführt ist. Der Sarg wurde aus der von Franco selbst in Auftrag gegebenen und von 20.000 Zwangsarbeitern errichteten Gedenkstätte entfernt und auf einen Friedhof am Stadtrand gebracht, wo auch seine verstorbene Frau Carmen Polo liegt. Über die Exhumierung wurde ein erbitterter Streit juristisch und politisch zwischen der Familie von Franco, den immer noch zahlreichen Franco-Anhängern und der Regierung ausgetragen worden. Die Gedenkstätte im Tal der Gefallenen »Valle de los Caidos« war ein Pilgerort der spanischen Falangisten.

Die aktive Wahlkampfzeit wurde vordergründig aus Kostengründen für die Parteien auf eine Woche begrenzt, aber in der Tat ist die Stimmung in Spanien aus verschiedenen Gründen stark aufgeheizt und polarisiert und ein längerer Wahlkampf würde diese Temperatur sicherlich noch weiter erhöhen. Nicht nur wegen der Umbettung Francos und dem Antritt der 2013 als Abspaltung der Partido Popular (PP) gegründeten rechtsextremen Partei »Vox«, die in den andalusischen Regionalwahlen am 2. Dezember 2018 ein Überraschungsergebnis von 11% erzielte. Die jetzige Minderheitsregierung aus PP und Cuidadanos wird durch Vox geduldet. Vox ist für eine Stärkung des Zentralstaates, migrationskritisch, antifeministisch, gegen Abtreibung und die Ehe für Alle. Der Umgang mit der ETA und den baskischen Separationsbestrebungen durch die PP ist ihr zu lasch.

Umbettung, Rechtsruck und Abspaltung

Seitdem rutscht Spanien in Wahlen kontinuierlich enthemmt nach rechtsextrem. In den nationalen Wahlen im April 2019 bekam Vox 10,3% der abgegebenen Stimmen. Bei der Wahl zum Europaparlament im Mai 2019 erhielt sie 6,2%. Im Jahr 2019 zog Vox in die Regionalparlamente von Aragonien, Asturien, die balearischen Inseln, Kantabrien, Kastilien und Valencia. In Madrid und Murcia bestimmten die Vox-Abgeordneten mit Cuidadanos und PP die Regionalpräsidenten. In den Prognosen liegt die Partei Vox mit 14% vor der Unidas Podemos mit 12% auf dem dritten Platz der Umfragen.

Ein weiterer Grund für die polarisierte Stimmung in Spanien liegt in dem erbitterten Streit um die territoriale Einheit Spaniens durch die katalonischen Unabhängigkeitsbestrebungen. Am 1. Oktober 2017 hatte die katalanische Regionalregierung aus Sicht der Madrider Zentralregierung ein verfassungswidriges Referendum durchgeführt und nach positivem Entscheid am 27. Oktober die staatliche Unabhängigkeit von Spanien durch den Regionalpräsidenten Carles Puidgemont ausgerufen. Mariano Rajoy enthob die Regionalregierung unter Berufung auf einen Notstand ihres Amtes. Die Madrider Zentralregierung erließ einen internationalen Haftbefehl, Puidgemont floh zunächst nach Belgien und wurde 2018 in Schleswig-Holstein festgenommen. Ein Gericht hat mittlerweile gegen mehrere Personen Haftstrafen von bis zu 13 Jahren verhängt.

Seitdem gibt es immer wieder starke Proteste für die Amnestie und Freiheit der Verhafteten, Flughäfen, Straßen und Grenzübergänge nach Frankreich wurden gesperrt. Am Montag gab es Proteste beim Auftritt der Königsfamilie in Katalonien. Auch für das Wahlwochenende wurden weitere Protestaktionen angekündigt – unter anderem von einer Gruppe »tsunami democràtic«, obwohl traditionell am Samstag und Sonntag keine Aktionen mehr stattfinden. Nicht zuletzt deshalb hat Madrid für die Wahlen am 10. November 4.500 Einsatzkräfte der Nationalpolizei und der Zivilgarde nach Katalonien entsendet, 8.000 Beamte der Regionalpolizei sollen in der Region den Wahlgang absichern. Beide Ankündigungen tragen zu einer weiteren Polarisierung und gegnerischen Mobilisierung bei.

Viele Wahlbeobachter prognostizieren das Ergebnis der Wahl als eine erneute Pattsituation. Unidas Podemos und vor allem Pablo Iglesias will Sanchez auch weiterhin nur dann als Regierungschef wählen, wenn sie selber voll berechtigt in eine Regierung mit der Übernahme von Ministerposten eintreten kann. Das lehnt Sanchez bislang ab. Auch eine Koalition aus PSOE und PP, die es in Spanien noch nie gab, hat Pedro Sanchez im Vorfeld ausgeschlossen, vielleicht hegt er die gleiche Hoffnung wie Mariano Rajoy im Jahr 2016, der im zweiten Wahlgang durch die Enthaltung der PSOE ins Regierungsamt kam. Skeptiker hingegen befürchten, dass es zu einer Wiederholung der Situation in Andalusien kommen könnte, wo PP und Cuidadanos in einer Minderheitenregierung durch Vox toleriert werden.

Insgesamt werden 350 Mitglieder des Abgeordnetenhauses, Congreso de los Diputados und 208 von 265 Mitgliedern des Senats, Senado gewählt.