Die Verhandlungen zum Mehrjährigen Finanzrahmen und der Corona-Programme werden die schwierigsten Aufgaben für die EU-Ratspräsidentschaft.

Deutsche EU-Ratspräsidentschaft

Finanzvolumen: 1.850.000.000.000 Euro

 

In der parlamentarischen Sitzungswoche hat die Bundeskanzlerin eine Regierungserklärung zur am 1. Juli beginnenden EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands abgegeben. Die Ratspräsidentschaft ist rotierend angelegt und wechselt alle sechs Monate. Damit dennoch Themen mit längerer zeitlicher Dauer bearbeitet werden können, wurde mit den Lissabonner Verträgen die sogenannte Trio-Ratspräsidentschaft erfunden, die einen Zeitraum von 18 Monaten umfasst. In dieser macht Deutschland den Auftakt, dann folgt Slowenien im ersten Halbjahr 2021, gefolgt von Portugal bis Ende 2021. Anfang Juni haben sich die drei Regierungen auf Leitlinien und Aufteilung der Schwerpunkte geeinigt, der Rat für Allgemeine Angelegenheiten (RfAA) hat diese am 16. Juni bestätigt.

Die schon frühzeitig begonnen Planungen wurden von der Corona-Pandemie durcheinandergewirbelt. Der für Mitte September in Leipzig geplante EU-China-Gipfel sollte das wichtigste außenpolitische Treffen in diesem Halbjahr werden, denn erstmals würden alle 27 EU-Staats- und Regierungschefs mit der chinesischen Führung zusammenkommen. China ist zu Deutschlands wichtigstem Handelspartner avanciert und auch deswegen soll es um eine kulturelle und politische Verständigung über das zukünftige Verhältnis zwischen China und der EU gehen. Angesichts der zurzeit stark belasteten Beziehungen zwischen Deutschland und den USA unter Donald Trump liegt hierin auch ein politisches Signal, durch das die Zukunftsperspektive des Westens noch stärker hinterfragt wird als es derzeit schon der Fall ist. Der Termin wurde auf Grund der Corona-Pandemie verschoben, es ist ungewiss, ob er in diesem Halbjahr durchgeführt werden kann.

Aus europäischer Perspektive ist der Abschluss der Verhandlungen zum Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) und der »Corona-Programme« die schwierigste Aufgabe für die EU-Ratspräsidentschaft geworden. Die EU-Kommission hat am 27. Mai 2020 einen überarbeiteten Vorschlag in Höhe von 1,1 Billionen Euro vorgelegt, der nun diskutiert wird. Des Weiteren hat die Kommission unter Führung von Ursula von der Leyen die deutsch-französische Initiative zu EU-Beihilfen in Höhe von 500 Milliarden Euro weitgehend aufgenommen, sie mit Blick auf die »sparsamen Vier« (Österreich, Schweden, Dänemark, Niederlande) durch ein Kreditprogramm in Höhe von 250 Milliarden aufgestockt und Tabellen mit der Höhe von Zuwendungen und Krediten an die einzelnen Mitgliedsstaaten veröffentlicht. Die zusätzliche Summe von 750 Milliarden hat bei den stark betroffenen Südländern zu Beruhigung geführt.

Bei den Instrumenten handelt es sich um den »Just Transition Fund« für die Energiewende bis 2050 (Green Deal), das EU-Solvenzinstrument als Teil des europäischen Aufbauplans »Next Generation EU« zur Abfederung der Corona-bedingten Wirtschaftsausfälle unter dem Dach der Europäischen Investitionsbank (EIB) und die Staatsbeihilfen und -kredite durch die zeitlich begrenzte Kompetenz der EU-Kommission zur gemeinsamen Schuldenaufnahme, für die die Mitgliedsstaaten anteilig bürgen. Die Eigenmittel der Europäischen Union sollen durch zusätzliche Einnahmequellen wie z.B. eine Plastiksteuer oder eine Digitalsteuer erhöht werden. Die Linke unterstützt die grundsätzliche Überlegung eines ökologischen Umbaus der Wirtschaft und eine Förderung der Digitalisierung. Allerdings muss die soziale Dimension hier stärker ausgebaut werden. Die Linke fordert, dass es keine zusätzlichen Mittel für die weitere Militarisierung der EU geben darf. Die im neuen MFR geplante materielle und personelle Stärkung von Frontex muss zurückgenommen werden. Die Kürzungen bei der Regionalförderung, bei Kultur und Bildung sind indiskutabel, sie fallen größer aus als im Kommissionsvorschlag von Mai 2018.

Als taktisches Manöver ist durch die Kommissionspräsidentin die Zustimmung zum MFR und zu den »Corona-Paketen« aneinander gekoppelt worden. Die Aufgabe der EU-Ratspräsidentschaft unter Leitung von Bundeskanzlerin Merkel besteht nun darin, sämtliche Mitglieder des EU-Rates zu einer Konsensabstimmung über das Gesamtpaket in Höhe von 1,85 Billionen Euro zu bewegen. Dies wird vermutlich noch nicht auf dem EU-Rat am 18./19. Juni erfolgen, ein Sondergipfel Anfang Juli, kurz nach Beginn der parlamentarischen Sommerpause im Bundestag, ist bereits im Gespräch. Der auslaufende Mehrjährige Finanzrahmen 2014 – 2020 wurde erst Ende Dezember 2013 beschlossen, damals war es der Zeitdruck, der die Einigung hervorgebracht hat. Jetzt könnte es die drohende wirtschaftliche Depression sein, die die notwendige Disziplin der EU 27 zur Verabschiedung des MFR und der Corona-Pakete hervorbringt.

Innenpolitisch liegen die sechs Monate der EU-Ratspräsidentschaft in Berlin im Vorfeld der thematischen und personellen Aufstellung zur Wahl des 20. Bundestags. Nach allgemeiner Einschätzung werden die Nachwirkungen der Corona-Pandemie lange finanzielle, wirtschaftliche und politische Schatten werfen. Auf dem Parteitag vom 3. bis 5. Dezember 2020 wählt die CDU einen neuen Vorsitzenden. Je nach Ausgang kann dies erneut zu einem schnellen und weitreichenden Umschwung in der Demoskopie führen. Nach Schätzung der Bundesregierung folgt aus den Plänen zum Mehrjährigen Finanzrahmen 2021 bis 2027 bei aktueller Verhandlungslage eine Erhöhung der Zahlungen aus dem Bundeshaushalt an die Europäische Union in Höhe von 13 Milliarden Euro jährlich. Der Betrag wird von 31 Milliarden auf 44 Milliarden ansteigen. Angesichts eines EU-Finanzvolumens in Höhe von 1.850.000.000.000 Euro ist das nicht so viel. Angesichts eines regulären Jahreshaushalts 2020 in Höhe von 360 Milliarden Euro doch rund 3,5%. Die Linke wird sich konsequent gegen Sozialkürzungen stellen.