Mit ihrer Zustimmung zur „Erklärung von Zagreb“ haben die EU-Spitzen und die Westbalkanländer ihre gemeinsame europäische Zukunft bekräftigt.

EU-Erweiterung

Westbalkan-Konferenz in Zagreb

 

Boris Johnson ist von seiner Corona-Infektion genesen und so beginnt in der Presse erneut das nunmehr schon fast leidige und wehleidige „Deal or No-Deal“ Spekulieren um die Ausgestaltung der zukünftigen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich. Boris pokert wieder, die EU hält an ihrer Phlegma-Strategie fest.

Auch um dieser Debatte eine nach vorne gerichtete Kommunikation entgegensetzen zu können, war für den 6./7. Mai als Höhepunkt der kroatischen EU-Ratspräsidentschaft eine große Westbalkan-Konferenz in Zagreb anberaumt. Kroatien wurde 2014 als 28. Mitgliedsstaat in die Union aufgenommen. Wegen der Kontaktbeschränkungen durch das Corona-Virus wurde die Konferenz im Videoformat durchgeführt.

Im Zuge der allgemeinen Bekämpfung der Pandemie ist es fast unter dem öffentlichen Radar durchgelaufen, dass die EU am 24. März 2020 nach dem Disput über die Regeln der Beitrittsverfahren, vor allem zwischen Deutschland und Frankreich als Gegenspieler, für die möglichst baldige Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien gestimmt hat. Drei Tage später wurde Nordmazedonien als 30. Mitgliedsland in die NATO aufgenommen. Diese Aufnahme wurde als erneuter Bruch des Versprechens, die NATO nicht nach Osten zu erweitern, kritisiert.

Der Widerstand Frankreichs gegen die Aufnahme weiterer Beitrittsverhandlungen mit Westbalkan-Staaten war im Oktober 2019 nicht nur aus der Sorge der Überlastung der EU, sondern auch stark wahlkampftaktisch begründet. Macron stand mit seiner Partei LREM in innenpolitisch schwieriger Lage, die Kommunalwahlen vom 15. und 22. März 2020 waren der letzte Stimmungstest vor den neuen Präsidentschaftswahlen im Jahr 2022. Es wird eng für eine zweite Amtszeit.

Trotz Protest wegen der Corona-Pandemie wurde der erste Wahlgang der Kommunalwahlen durchgeführt. Nach dem Tod eines Bürgermeisters im Elsass nach einer Corona-Infektion wurde der Vorwurf erhoben, Macron würde leichtsinnig Leben aufs Spiel setzen. Der zweite Wahlgang wurde abgesagt, bis heute ist ungeklärt, wann die Kommunalwahlen durchgeführt werden. Das Ergebnis des 1. Wahlgangs wird seitens der Opposition nicht anerkannt, praktisch muss sie dadurch wohl vollständig wiederholt werden. Ein Termin ist derzeit völlig offen.

Aber mit der Verabschiedung einer neuen, nicht linearen Aufnahmemethodik am 25. März, bei der erreichte Fortschritte, z.B. im Kapitel Rechtsstaatlichkeit auch wieder EU-seitig zurückgenommen werden können, wurde der französischen Kritik Rechnung getragen. Die Kommission veröffentlichte daraufhin neue Fortschrittsberichte zu Nordmazedonien und Albanien, in denen sie eine positiven Trend für beide Länder bestätigte.

Mit der Umbenennung Nordmazedoniens war die Vorbedingung im Streit zwischen Mazedonien und Griechenland, das eine Provinz Mazedonien hat, mit starken innenpolitischen Problemen erfüllt worden. Athen und die EU befürchteten territoriale Integritätskonflikte wie z.B. in Bosnien-Herzegowina oder zwischen Serbien und Kosovo, ob die durch die Umbenennung und Beitrittsperspektive dauerhaft ausgeräumt wurden, muss sich nun zeigen.

Die neuen Bedingungen gelten für die Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien. Die Länder des Westbalkan, mit denen aktuell bereits Verhandlungen geführt werden, dies sind Montenegro (seit Juni 2012) und Serbien (seit Januar 2014), können auch auf die neue Methodik umsteigen, müssen dies jedoch nicht. Ein etwaiger Zeitpunkt für den Abschluss mit Montenegro und Serbien könnte ersten Ideen zufolge Mitte der 2020er sein, also erst nach den nächsten Europäischen Parlamentswahlen. Bosnien-Herzegowina und der Kosovo gelten nun als potenzielle Kandidatenländer.

In der Erklärung von Zagreb, der die EU-Spitzen und die sechs Westbalkanländer zugestimmt haben, wird die gemeinsame europäische Zukunft bekräftigt. Es wurde ein sofortiges Corona-Hilfspaket von 3,3 Milliarden Euro für die Länder des Westbalkan beschlossen. Die noch offenen Statusvereinbarungen mit Frontex sollen unverzüglich abgeschlossen werden. Die Bekämpfung von Desinformation und Stärkung von Cybersicherheit gegenüber Drittstarken soll verstärkt werden. Mitte Mai will die EU-Kommission einen Verhandlungsrahmen für die Beitrittsgespräche veröffentlichen.