Am 1. Juli 2021 wird Slowenien die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen. Die damit einhergehende EU-weite Aufmerksamkeit ist eine Chance für eine gute Außendarstellung.

Slowenische-EU-Ratspräsidentschaft 2021

Janšas illiberale Drift

Slowenien hat sich 1991 als erster Teilstaat aus dem jugoslawischen Bund gelöst und trat im Jahr 2004 der Europäischen Union und der NATO bei, seit 2007 ist es Mitglied der Euro-Zone. Am 1. Juli 2021 wird Slowenien die EU-Ratspräsidentschaft von Portugal übernehmen, seine erste Ratspräsidentschaft war im Jahr 2008. Dies ist in der Regel eine Chance für eine gute Außendarstellung, denn mit dem Ratsvorsitz ist auch immer eine EU-weite Aufmerksamkeit gesichert.

Mit 90 Sitzen ist das slowenische Parlament eher klein und die sind seit der Wahl vom 3. Juni 2018 auf zehn Fraktionen aufgeteilt. Die größte von ihnen ist die Slowenische Demokratische Partei (Slovenska Demokratska Stranka) mit 25 Mandaten. Deren Vorsitzender Janez Janša ist wegen Korruption rechtskräftig vorbestraft und wurde im Wahlkampf prominent von Viktor Orban und seiner Fidesz aus Ungarn unterstützt. Dementsprechend groß waren die ablehnenden Kräfte der Zivilgesellschaft und der parteipolitisch organisierten Opposition, die Janša nicht erneut in der Regierung sehen wollten. Bei genauem Anschauen seiner Biographie fühlt man sich unweigerlich irgendwie auch an Liviu Dragnea aus Rumänien erinnert.

Die zweitstärkste Fraktion der erstmalig angetretenen Liste Marjan Šarec (LMS) bekam 13 Mandate und konnte bis Ende Januar den Ministerpräsidenten stellen. Der frühere Komiker Šarec brachte gegen Janez Janša und seine SDS eine Fünf-Fraktionen-Regierung aus LMŠ, SD (10 Mandate), SMC (10 Mandate), dem Bündnis Alenka Bratušek (SAB) mit 5 Mandaten und der Rentnerpartei (DeSuS) mit ebenfalls 5 Mandaten zusammen, die obendrein von der Unterstützung der 2014 gegründeten Združena levica (9 Mandate), einem Bündnis aus drei linken Parteien, abhängig war.

Wackelig war das Regierungsbündnis durchgängig in der Mehrheitsbildung, Ende 2019 hat Levica gegen den Haushaltsentwurf von Šarec gestimmt und die Ernennung einer Ministerin blockiert. Ende Januar 2020 trat Šarec zurück und sprach sich für Neuwahlen aus, dies sicherlich auch mit einem Blick auf die Umfragewerte. Seine Liste hat seit der Wahl 2018 erheblich zugenommen und viele der kleineren Parteien hätten es nicht wieder ins Parlament geschafft. Diese Ausgangsbasis hat Janša genutzt und ist nach 2004 und 2012 zum dritten Mal Ministerpräsident mit einer Koalition aus SDS, DeSus, SMC und der christkonservativen NSI geworden.

Ende Dezember ist die Rentnerpartei DeSus mit ihren fünf Mandaten aus der Koalition ausgetreten. Der ehemalige Außenminister Karl Erjavec hat diesen Schritt mit einem zu hohen politischen Druck auf die Medien begründet. Er hat für die DeSus die zunehmende Isolierung und eine »Orbanisierung Sloweniens« beklagt. Erjavec möchte Slowenien lieber in der Reihe der demokratischen Kernstaaten sehen und nicht als weiteres Mitglied der Visegrad-Gruppe. Doch es war schnell eine neue Mehrheit gefunden. An ihre Stelle trat die Slowenische Nationalistenpartei SNS (4 Mandate), die zwei Minderheitenvertreter und ein Abgeordneter der Rentnerpartei. So konnte sich Janša ein weiteres Mal an der Regierungsspitze halten und seine Politik fortsetzen.

Ein Beispiel hierfür ist sein Handeln gegen die nationale Nachrichtenagentur STA, die Janša für ihren Umgang mit der Corona-Pandemie kritisiert hatte. Die Replik erfolgte sofort: »Lügenpresse« war seine Wertung der Kritik, nach einer monatelangen Kampagne wurde der Vorsitzende nach Budapester Vorbild gegen einen Janša-Getreuen ausgetauscht. Janša ist wie Ex-Präsident Donald Trump ein Freund von twitter. Angriffe gegen ihn werden vom »tiefen Staat«, der »UDBO-Mafia« aus ehemaligen Seilschaften der jugoslawischen Geheimpolizei inszeniert. Auch hier folgt er Trumps Kommunikationsmodell in der Konstruktion eines nicht sichtbaren Gegners.

Seine Schmähungen von unliebsamen Journalist:innen haben ihm schon im vergangenen Frühjahr Ermahnungen des Europarates und der Europäischen Rundfunkunion eingebracht. Nicht nur das Einsetzen von getreuen Gefolgsleuten ist ein Modell, das er von Orban kopiert, sondern es gibt auch einen direkten Austausch. Finanzstarke Leute aus dem Kreis von Victor Orban investieren direkt in slowenische Medien, es wird über eine Höhe von vier Millionen Euro berichtet, die in TV-Sender wie »Nova24TV«, die Zeitung »Skandal 24« oder Internetportale gehen. Im November gab es hierzu eine kritische Debatte im Europaparlament. Durch diese Verschränkungen werden gegen die SDS Vorwürfe wegen der Verletzung von Wahlkampfregeln erhoben.

Auch wird über verstärkte Angriffe gegen linke und linksliberale kulturelle Einrichtungen berichtet. Das »Metelkova-Kulturzentrum« soll geräumt werden, ein autonomes Kulturzentrum »Rog« wurde ohne Vorwarnung geräumt und gleich abgerissen, Janša freute sich in einem twitter-Kommentar über die »gelungene Renationalisierung«. Die Beispiele zeigen die verschiedenen Trends in Slowenien: Missachtung der Gewaltenteilung, Eingriffe in die Unabhängigkeit der Medien, Angriffe gegen linke und liberale Einrichtungen, dubiose finanzielle Verstrickungen, fragwürdige Militärdeals mit Krauss-Maffei-Wegman (KMW) über dessen ungarische Niederlassung. Levica und SD haben im November des vergangenen Jahres eine Kampagne dagegen gestartet: »780 Millionen Euro für Wohlstand, nicht für Waffen«. Janša war nebenbei bemerkt als damaliger Verteidigungsminister auch Befehlshaber der slowenischen Armee im zehntägigen Unabhängigkeitskrieg von 1991.

Mit seiner illiberalen Politik hat es Janša ein weiteres Mal geschafft, die zerstrittene Linke in Slowenien zu einem Anti-Janša-Bündnis, der »Koalition des Verfassungsbogens« zu vereinen. LMC, SD, SAB, DeSus und Levica brauchen für ein erfolgreiches konstruktives Misstrauensvotum auch noch Stimmen aus der Koalition, bevorzugt von SMC oder SNI. Aber selbst wenn sie erfolgreich sind, wird Karl Erjavec als Ministerpräsident wie zuvor Marjan Šarec im Parlament Stimmen nicht aus sechs, sondern aus sieben Fraktionen benötigen. Die knapp 1,7 Millionen Wahlberechtigten dürfen das nächste Mal regulär im Frühjahr 2022 an die Urne gehen, um die Kräfte im Parlament neu zu verteilen.

Die Europäische Union, die Bundesregierung und die Europäische Volkspartei (EVP), in der sowohl die Partei von Janša als auch die von Orban Mitglied sind, sollten angesichts dieser illiberalen Drift bis zum Beginn der EU-Ratspräsidentschaft von Slowenien im Juli deutliche Worte und eine klare Haltung finden, wie sie das zumindest ansatzweise gegenüber den Regierungen in Polen und Ungarn getan haben.