„Super-Mario“ Draghi soll nach der Rettung Italiens und des Euros im Jahr 2012 ein zweites Mal ran, um Italien, den Euro als Währung und die Euro-Zone als Gesamte zu retten.

Euro-Krise 2021

Römisches Regierungs-Roulette

„Whatever it takes.“ Mit diesem Satz aus dem Jahr 2012 ist Mario Draghi den meisten aus seiner Zeit als EZB-Präsident bekannt, bevor er von Christine Lagarde abgelöst wurde. „Was immer es kostet“ meinte, Draghi würde alle nötigen Hebel in Gang setzen, um auf der Höhe der Euro-Krise den Zerfall der Währungszone zu stoppen. Mit den Aufkaufprogrammen der EZB hat er den Bremshebel so stark gezogen, dass die Finanzspekulationen gegen den Euro abebbten, bevor die Frage abschließend geklärt wurde, ob Italien – immerhin Volkswirtschaft Nummer drei in der Euro-Zone – unter den Rettungsschirm und die verhasste neoliberale Spar-Troika ins Land lassen musste. Aber, sie ist eben nur abgeebbt und nicht vorüber.

Mit den EZB-Aufkaufprogrammen aus der Präsidentschaft von Draghi wurden 13% über dem proportionalen Schlüssel der Euro-Mitgliedsstaaten italienische Staatsschulden gekauft. Die neue Präsidentin Christine Lagarde hat den Kurs bestätigt und als Reaktion auf die Corona-Pandemie das Aufkaufvolumen um 500 Milliarden Euro erhöht. Darüber hinaus entlasten die niedrigen Zinsen der EZB sämtliche Staatshaushalte der Euro-Zone vom Schuldendienst. Dennoch steht der italienische Schuldenstand über 132%, im zweiten Maastricht-Kriterium dürften es 60% sein. Dann kam die Corona-Pandemie und hat Italien überproportional stark getroffen. Um die Folgen der Pandemie europaweit zu bewältigen, hat die Europäische Union ein 750 Milliarden Programm mit dem Namen Next Generation EU (NGEU) aufgelegt.

Das Programm teilt sich in 390 Mrd. Finanzhilfen und 360 Mrd. Kredite, die zurückgezahlt werden müssen. Italien erhält mit 209 Mrd. Euro den größten Anteil der 27 Mitgliedsstaaten aus dem Recovery-Fund. Es gibt eine Projektliste in Höhe von insgesamt 600 Mrd. Euro, über die Verteilung der Summe ist Streit vom Zaun gebrochen. Matteo Renzi, Vorsitzender der Partito Democratico von 2013 bis 2018, Ministerpräsident von 2014 bis 2016 und seit 2019 Vorsitzender der von ihm gegründeten Italia Viva, hat darüber die Regierungsbeteiligung am Kabinett Conte II aufgekündigt. Motiviert war der Regierungsbruch laut etlichen Beobachter:innen aber nicht nur wegen dem Streit um das liebe Geld aus der EU, sondern mindestens ebenso stark aus der persönlichen Geltungssucht von Renzi.

In den vergangenen Jahren war schon öfters zu beobachten, dass mit einem Regierungsbruch in Italien der Auftrag zur Krisenlösung verfassungsgemäß an den Staatspräsidenten geht. Auf Grund der Corona-Pandemie, aber auch wegen der hohen Dynamik im Parteiengefüge will Sergio Matarella vorgezogene Neuwahlen unbedingt verhindern. Zunächst hatte der Ende Januar zurückgetretene Guiseppe Conte die Hoffnung, den Auftrag für ein Kabinett III zu bekommen. Aber Matarella hat den Parlamentspräsidenten Roberto Fico, der der Fünf-Sterne-Partei angehört, mit der Regierungsbildung beauftragt, dieser ist jedoch nach vier Tagen gescheitert und hat den Auftrag zurückgegeben.

Der Popularitätseinbruch, den der ehemalige Innenminister Matteo Salvini nach seinem gescheiterten Versuch, Ministerpräsident zu werden, erlitten hat, hat sich bei 23% abgefangen. Die vormals erfolgreiche Fünf-Sterne-Bewegung (Cinque Stelle) steht vor einer Halbierung ihrer Stimmen, einem Absturz von 32% auf 15%. Die sozialdemokratische Partito Democratico hält sich bei 20%. Die rechtsextreme Fratella d´Italia ist auf 16% gestiegen. Die im September 2019 von Renzi neu gegründete Italia Viva, mit der er das Parteiensystem wie Emmanuel Macron aufrollen wollte, kommt nicht über 3% hinaus. Unabhängig der pandemischen Bedingungen wäre eine schwierige Regierungsbildung zu erwarten. Wie immer.

So hat Präsident Matarella erneut die Karte der „Expertenregierung“ in Italien aus dem Hut gezogen und dem ehemaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi den Auftrag zur Bildung einer Regierung erteilt. „Super-Mario“, wie er in der Populärpresse genannt wird, soll nach der Rettung Italiens und des Euros im Jahr 2012 ein zweites Mal ran, um Italien, den Euro als Währung und die Euro-Zone als Gesamte zu retten. Aus dem berühmten „whatever it takes“ wird im Jahr 2021 ein „whatever it needs“, denn Draghi muss im Parlament eine Mehrheit hinter sich bringen. Das wird nicht ohne Zugeständnisse an die Milliarden und an Posten gehen. Wenn es ihm gelingt, hätte er bis zu den nächsten regulären Wahlen 27 Monate lang Zeit, aber seit Kriegsende 1945 gab es 65 Regierungen in Italien, sie hatten durchschnittlich 1,16 Jahre Haltbarkeit.