Ungeachtet aller Turbulenzen im Bundestag oder über die Regierungsbildung in Italien oder den Regierungswechsel in Spanien laufen die Verhandlungen zum neuen Mehrjährigen Finanzrahmen weiter.

Mehrjähriger Finanzrahmen 2021 bis 2027

Eintracht und Frohsinn

 

Der Mehrjährige Finanzrahmen (MFR) ist der Haushaltsrahmen der EU für die Jahre 2021 bis 2027, mit dem die unmittelbaren Vorstellungen über die Frage »Wie weiter mit der EU?« in den einzelnen Politikfeldern, die hier Rubriken heißen, in Zahlen gegossen werden. Das macht die Verhandlungen über den MFR zu einem der großen Streitfelder zwischen den Mitgliedsstaaten. Denn bei Geld hört die Freundschaft ja bekanntlich auf.

Am 2. Mai hat Haushaltskommissar Günther Oettinger mit der Mitteilung »Ein moderner Haushalt für eine Union, die schützt, stärkt und verteidigt« einen umfangreichen Vorschlag zur Diskussion gestellt, der einen mehr als 120-Seiten langen Anhang zur Erläuterung und zahlreiche Verordnungsvorschläge enthält. Mit Oettingers Vorlage wird für die EU der 27 eine Erhöhung des Etatrahmens um 14 % auf rund 1.135 Milliarden Euro vorgeschlagen. Dies entspricht einem Volumen von 1,114 % des EU-Brutto-Nationaleinkommens.

Keine Militarisierung der EU

Im Ausgabenbereich wird für eine stärkere Fokussierung auf »Zukunftsaufgaben mit EU-Mehrwert« plädiert. Programme zu Innovation, Forschung, Klima- und Umweltschutz sollen moderat gestärkt werden. Deutliche Steigerungen aber sind in den Bereichen Grenzsicherung, Migrationsmanagement, bei der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik vorgesehen. DIE LINKE kritisiert die Einrichtung einer Haushaltsrubrik für »Sicherheit und Verteidigung«, die mit 27,5 Milliarden Euro ausgestattet werden soll. Die Militarisierung der EU-Außen- und Sicherheitspolitik wird erstmals offen mit EU-Haushaltsmitteln unterlegt.

Gestrichen werden soll nach Vorstellung der Kommission dagegen vor allem in den Rubriken Agrarpolitik sowie der Struktur- und Regionalförderung. Im Bereich der Landwirtschaftspolitik sollen die Zahlungen um 5% gekürzt werden. Das wird für die Landwirtschaft dazu führen, dass sich in der Folge die Preise in den Geschäften erhöhen. Das Sparen bei der GAP führt zu Mehrausgaben bei den Verbraucher*innen.

Folgen für die Landeshaushalte

Die Vorschläge für die Kohäsions- und Regionalpolitik wurden Ende Mai veröffentlicht. Es sind Im Vergleich auf den MFR 2014 bis 2020 Kürzungen von 10 % vorgesehen. Deutschland soll nach dem Vorschlag rund 20 Prozent weniger EU-Strukturfördermittel erhalten (15,7 Milliarden Euro statt 19,8 Milliarden). Dadurch werden Herausforderungen wie Langzeitarbeitslosigkeit, die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung, der Mangel an öffentlichen Investitionen oder die Umstellung auf erneuerbare Energien erheblich größer.

Gerade die Übergangsregionen, vor allem in Ostdeutschland, benötigen weiterhin Unterstützung, um ihre im europäischen Vergleich gute wirtschaftliche und soziale Entwicklung aufrechterhalten zu können. Zwar sollen alle Regionen der EU auch weiter an der EU-Förderung partizipieren können – also auch die brandenburgischen. Aber durch die geplante Anhebung der Kofinanzierungssätze von beispielsweise 40 % auf 50 % kann dies auch Auswirkungen auf die Landeshaushalte haben, die hier mehr Mittel einplanen müssen.

Machtmittel der Kommission

Neu an dem Vorschlag ist die Forderung, die Mittelvergabe aus den Struktur- und Regionalfonds an politische Bedingungen (Konditionalitäten) zu knüpfen wie das Einhalten der Rechtstaatlichkeit, die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen und so weiter. Dies ist ein zweischneidiger Vorschlag. Zunächst ist aus linker Sicht die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen ein zu bejahender Punkt. Allerdings versucht die EU-Kommission mit diesem Vorschlag ein finanzielles Machtmittel zur Disziplinierung von Mitgliedsstaaten in die Hand zu bekommen. Dies ist äußerst zweifelhaft zu bewerten. Außerdem trifft die Verweigerung von EU-Mitteln strukturschwache Regionen, Urheber*innen der Politik sind aber nationale Regierungen.

Darüber hinaus schlägt Oettinger in der Mitteilung »Ein moderner Haushalt für eine Union« die Einführung neuer Eigenmittel vor, um ihre Abhängigkeit von den Beiträgen der Mitgliedstaaten zu reduzieren und um künftige Aufgaben aus einer EU-Perspektive finanzieren zu können. Die Forderung einer Plastiksteuer liegt im aktuellen Trend der Berichterstattung über Umwelt- und Meeresverschmutzung, Verelendung von Walen und Vermüllung von attraktiven Reisezielen. Die Kommission möchte Einnahmen aus dem Emissionshandel selbst verbuchen können und eine EU-weite Körperschaftssteuer einführen, die direkt ins EU-Budget fließen.

Große Hürde Konsens

Der vorliegende Vorschlag wird auch auf dem EU-Gipfeltreffen der Staats- und Regierungsvorsitzenden Ende Juni auf der Tagesordnung stehen. In den Stellungnahmen der einzelnen Mitgliedsstaaten sind schon jetzt große Gegensätze sichtbar geworden. Niederlande zum Beispiel verweigern, den Eigenbeitrag über 1,0% des EU-Bruttonationaleinkommens zu erhöhen. Die osteuropäischen Staaten z.B. werden der Konditionalisierung der Kohäsions- und Regionalmittel nicht zustimmen. Frankreich wird versucht sein, ihre Zustimmung an die Vertiefung der Union in den Bereichen Wirtschafts- und Währungsunion zu binden.

Der formulierte Anspruch, die Verhandlungen zum MFR 2021 bis 2027 noch vor den Wahlen zum Europäischen Parlament vom 23. bis 26. Mai 2019 abzuschließen, wird nur sehr schwer einzulösen sein. Die 27 Mitgliedsstaaten müssen in der Schlussabstimmung Einstimmigkeit erzielen. Das einzig starke Argument einer vorherigen Einigung liegt in der Vorahnung der Schwierigkeiten, diese Aufgabe nach der Parlamentswahl zeitbegleitend zur Neukonstituierung der EU-Institutionen bewältigen zu müssen.

Zusammenfassend lässt sich über Oettingers Vorschlag bis hier sagen, dass er die neoliberale Handschrift eines CDU-Politikers trägt. Im sozialen Bereich, beim regionalen Ausgleich und in der Landwirtschaft soll gespart werden, die Militarisierung und die Abschottung der Festung Europa soll mit deutlichen finanziellen Aufwüchsen vorangetrieben werden.