Ein Rundblick auf die politischen Entwicklungen in Brüssel, Österreich, Italien, Spanien, Frankreich, Deutschland und das Vereinigte Königreich.

Wahlen in der EU

United Kingdom: Alles wie gehabt?

 

Am 1. Dezember hat die neue Europäische Kommission mit einem Monat Verspätung ihre Arbeit aufgenommen und Jean-Claude-Juncker ist jetzt Pensionär. Die neue Präsidentin Ursula von der Leyen hat nie die Flinte ins Korn geworfen und schlägt nun vor, eine Billion Euro für einen Green New Deal auszugeben. Einen Green New Deal hat DIE LINKE im Bundestag schon seit mehreren Jahren vorgeschlagen und es scheint, als hätte die ehemalige Verteidigungsministerin doch das eine oder andere Mal zugehört.

Keine Ahnung, woher das Geld kommt. Aber Christine Lagarde hat jetzt die Lizenz zum Gelddrucken von Mario Draghi übernommen. Die Europäische Ebene hat sich damit nach den Wahlen vom Mai abschließend neu konstituiert und geht in ihren Arbeitszyklus. Das Europäische Parlament und die EU-Kommission bis 2024, die EZB-Präsidentin bis 2027. Auf der Ebene der Mitgliedsstaaten hingegen sind die Zeichen weiter auf Krisenmodus und es holpert stark im Zentrum der Europäischen Union. Darüber kann auch die Meldung des nun mehrheitlich weiblich besetzten Kabinetts in Finnland nicht hinwegtäuschen.

Nach den Wahlen vom 15. Oktober 2019 ist in Österreich noch kein Abschluss der Verhandlungen zwischen der ÖVP und den Grünen in Sicht. Türkis-Grün, wie die Farben in Wien lauten, sind bei den Themen Migration und Umwelt noch meilenweit auseinander. Weder Sebastian Kurz noch der Grünen-Chef Werner Kogler wollen sich auf einen Zeitplan festlegen. Geben die Grünen zuviel nach, laufen sie Gefahr, in der nächsten Wahl wieder aus dem Parlament zu fliegen. Geht Kurz zu weit nach links in den Fragen von Umweltschutz und Migration, lauert die FPÖ im Hintergrund. Partei im Wartestand.

In Italien ist die einstige rote Hochburg Umbrien am 27. Oktober in Höhe von 57% an die Kandidatin der Lega gefallen. Damit war die Freude über die neue Regierung nach dem strategischen Scheitern des ehemaligen Innenministers Matteo Salvini in Rom schnell getrübt. Als eine Reaktion auf dessen erneuten Wahlerfolg macht gerade eine Bewegung der »Sardinen« auf sich aufmerksam, weil viele Menschen die rassistische Politik von Matteo Salvini leid sind. Für den 14. Dezember ist eine große Demonstration in Rom angekündigt.

Auch in Spanien ist nach der überraschenden Verkündung einer Zusammenarbeit durch PSOE und Unidas Podemos als Reaktion auf das Wahlergebnis vom 10. November 2019 noch keine Einigung erzielt, die katalanische ERC hat noch nicht zugestimmt, obwohl sie von mehreren anderen kleinen Parteien dazu aufgefordert wird. Die Frist zur Regierungsbildung läuft im Februar 2020 aus, dann kommt es gemäß Verfassung zu Neuwahlen.

Mittlerweile schon seit dem 5. Dezember wird in Frankreich massiv gegen die von Emmanuel Macron geplante Vereinheitlichung der Renten und die Erhöhung des Rentenalters gestreikt. Großteile des öffentlichen Verkehrs waren lahmgelegt. Auch Krankenhäuser und Teile der Polizei haben sich dem Streik angeschlossen. Eine Aussicht auf Einigung und Streikbeilegung vor Weihnachten ist nicht in Sicht.

Die Parteitage von CDU und SPD sind in Deutschland vorbei, die Überprüfung der Halbzeitbilanz der Bundesregierung hat den Weg in die zweite Hälfte der Wahlperiode eröffnet. In der Union ist die drohend aufgebaute Kulisse der Revolte nur ein müdes Windchen gewesen. In der SPD hat die großmäulig angekündigte Abstimmung über die GroKo und die Neuwahl des Parteivorstandes zu nichts weiter geführt, als dass auch das Jahr 2020 eine ungewisse Hängepartie wird, wo die Regierungsparteien nicht so genau wissen, ob sie rein in die Kartoffeln wollen oder raus.

Nächste Herausforderung ist hierzulande der 23. Februar in Hamburg, wo ein neuer Senat gewählt wird. Einige Wahlvorhersagen sehen die Bündnisgrünen auf dem ersten Platz einlaufen und DIE LINKE mit einem guten zweistelligen Ergebnis auf Augenhöhe mit der CDU. Am 15. März sind Kommunalwahlen in Bayern und hier wird darüber spekuliert, ob die SPD in der Hauptstadt München das Bürgermeisteramt verliert, wie stark die Grünen in den Kommunen Bayerns werden und ob es zu einem Verlust der CSU an der Basis kommt.

Aber das eigentliche Ereignis dieser Woche war aus EU-politischer Sicht die erneute Wahl zum Unterhaus im United Kingdom. Es ist die dritte seit 2015. Boris Johnson, der dritte konservative Premier seit der Volksabstimmung über den Brexit im Jahr 2016 anberaumt hat, hatte durch seinen politischen Stil und den Ausschluss von eigenständigen Mitgliedern aus seiner Tory-Fraktion die Parlamentsmehrheit verloren. Anders als Theresa May, die 2017 ihre Mehrheit ausbauen wollte, aber nur knapp verteidigen konnte, steht er ohne Mehrheit da. Er konnte den für den 31. Oktober versprochenen Brexit nicht liefern.

Nachdem in der Abstimmung über den Verbleib oder Austritt aus der EU der Slogan »Take back Control« übersetzt in etwa: »Nimm die Kontrolle zurück« erfolgreich war, lautet Johnsons Motto dieses Mal in Anlehnung an das Sloganmuster: »Get Brexit done« auf Deutsch: »Brexit erledigen«. Er konnte mit dieser Aufforderung 46 Mandate hinzugewinnen und die absolute Mehrheit holen. Labour hat im Wahlkampf von Jeremy Corbyn mehr auf soziale Themen gesetzt und 59 Mandate verloren. Es ist das schlechteste Ergebnis seit 80 Jahren. Die schottische Nationalpartei SNP hat 48 von 56 schottischen Sitzen im Unterhaus geholt. Die LiberalDemokraten haben einen Sitz verloren und die DUP ist stabil geblieben.

Mag sein, dass Johnson den Brexit jetzt durchziehen kann und so ein klares Verhältnis des United Kingdom zur Europäischen Union herstellt. Innenpolitisch muss er in den nächsten Jahren eine Wunderleistung vollbringen und die mögliche Spaltung des UK verhindern. Nicola Sturgeon hat Johnson die Legitimität abgesprochen, die Schotten aus der EU zu führen und ein neues Referendum über den Verbleib Schottlands im United Kingdom angekündigt. Auch das Verhältnis Nord-Irland und Irland bleibt von dem Austritt des Kingdom aus der EU nicht unberührt. Skeptiker befürchten ein Wiederaufflammen des Kriegs auf der Insel mit dem Ziel der Herstellung einer von London unabhängigen politischen Souveränität. Take Back Control.